HSV-Verteidiger Mario Vuskovic wurde am 16. September 2022 bei einer Trainingskontrolle der Nationalen-Anti-Doping-Agentur (NADA) positiv auf das Dopingmittel Epo getestet. Die B-Probe bestätigte das Ergebnis.
Das DFB-Sportgericht sperrte Vuskovic nach drei Verhandlungstagen am 30. März 2023 für zwei Jahre. Die Sperre gilt rückwirkend seit dem 15. November 2022.
Das DFB-Sportgericht wich bewusst von der sonst üblichen vierjährigen Sperre ab. Zur Begründung hieß es, Vuskovic sei Ersttäter - zudem sei nicht von strukturiertem Doping auszugehen.
Abgeschlossen ist der Fall aber nicht: Zwei Parteien legten vor dem Internationalen Sportgesichtshof (CAS) in Lausanne Einspruch ein. Ursprünglich sollte der Fall dort im Dezember 2023 verhandelt werden. Die Anhörung wurde aber verschoben und fand am 14. und 15. Mai statt.
Vuskovic ficht das Urteil des DFB-Sportgerichts an und will einen Freispruch erreichen. Auch die Nationale Antidoping Agentur (NADA) rief den CAS an. Sie fordert die eigentlich übliche Vier-Jahres-Sperre für des Dopings überführte Sportler.
Der DFB war ebenfalls vertreten, weil er als zuständiger Verband die Sperre ausgesprochen hat.
Der Court of Arbitration for Sport ist der Internationale Sportgerichtshof mit Sitz in Lausanne. Der CAS ist die höchste Instanz in der internationalen Sportgerichtsbarkeit und wird von der großen Mehrheit der Sportverbände (aber nicht von allen) als diese anerkannt.
Der Fußball-Weltverband FIFA hat sich 2002 der Gerichtsbarkeit des CAS unterworfen. Der CAS unterliegt Schweizer Recht. Deswegen können seine Entscheidungen vor dem Schweizer Bundesgericht angefochten und von diesem auch aufgehoben werden.
Straf- oder zivilrechtliche Wirkung haben die Urteile des CAS allerdings nicht.
Eine Entscheidung wird es keinesfalls direkt nach der Anhörung am 14. und 15. Mai geben. Es wird einige Wochen dauern, bis der CAS ein Urteil fällt. Dieses erhalten die beteiligten Parteien dann schriftlich.
Vuskovic' Anwälte stellen das Verfahren, mit dem der Kroate des Dopings überführt wurde, grundsätzlich in Frage: Analytiker sehen sich im sogenannten SAR-PAGE-Verfahren Messbilder an und deuten sie.
Schon in der Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht präsentierte die Vuskovic-Seite Wissenschaftler, die diese Methodik für falsch und fehleranfällig halten und argumentierten, dass die Probe fälschlicherweise als positiv deklariert wurde.
Allerdings ist das SAR-PAGE-Verfahren seit Jahren weltweit Standard bei der Analyse auf Epo-Doping und wird von zahlreichen Wissenschaftlern und Experten im Anti-Doping-Kampf als zuverlässig eingeschätzt.
Die NADA hat stets den korrekten Ablauf des Tests und die aus ihrer Sicht korrekte Analyse der Proben unterstrichen. Vuskovic' Anwälte säten zu Beginn der Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht Zweifel am korrekten Ablauf der Probe. Diese Zweifel konnten aber von der NADA ausgeräumt und ein Verfahrensfehler somit ausgeschlossen werden.
Nun will die Anti-Doping-Agentur eine Verlängerung der Sperre erwirken. Sie beruft sich auf den internationalen Anti-Doping-Code, der für Ersttäter eine vierjährige Sperre vorsieht.
Epo ist die Kurzform für Erythropoetin. Erythropoetin ist ein Hormon, das die Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) fördert und vor allem in der Niere produziert wird. Je höher die Zahl der Erythrozyten, desto größer ist die Sauerstoffkapazität des Blutes.
Entsprechend steigt die Ausdauer-Leistungsfähigkeit. Gentechnisch (rekombinantes) hergestelltes Epo wurde Anfang der 1980er-Jahre entwickelt und ursprünglich als Medikament verwendet, beispielsweise bei Blutarmut und einer Niereninsuffizienz. In den 1990er-Jahren war Epo in Ausdauersportarten - vor allem im Radsport - als Dopingmittel weit verbreitet.
Angst vor Entdeckung mussten die Sportler lange Zeit nicht haben. Erst seit Anfang 2000 ist es möglich, gentechnisch hergestelltes Epo direkt im Urin - und damit bei einer klassischen Dopingkontrolle - nachzuweisen.
Auch im Fußball wurde es eingesetzt. Bekannt ist beispielsweise, dass Juventus Turin in den 1990er-Jahren sein Star-Ensemble systematisch mit Epo versorgte.
Der Hamburger Fußball-Zweitligist hat sich von Beginn an auf die Seite seines Spielers gestellt. Auch nach der Verurteilung hat sich an dieser Haltung nichts geändert.
Sollte der CAS der Argumentation der Vuskovic-Seite folgen und einen Freispruch damit begründen, dass das SAR-PAGE-Verfahren nicht zuverlässig sei, würde ein Präzedenzfall geschaffen, der weltweit Auswirkungen auf den Anti-Doping-Kampf hätte.
Zum einen dürften dann viele andere Athleten, die aufgrund von Epo-Doping gesperrt wurden, mit Verweis auf den Vuskovic-Fall aktiv werden und möglicherweise sogar vor ein ordentliches Gericht ziehen.
Zum anderen wäre das SAR-PAGE-Verfahren als Analyse-Methode wohl derart diskreditiert, dass die WADA ein anderes Verfahren nutzen müsste, um Epo-Doping nachzuweisen.