Wolfenbüttel: Die ganze Pracht der Welfen und viel Fachwerk
Über drei Jahrhunderte entwickelten Welfenherzöge Wolfenbüttel zu einer Stadt der Kunst und Kultur. Bis heute zeugen davon Prachtbauten wie das Schloss aber auch die belebte, malerische Altstadt.
Schon Giacomo Casanova, der italienische Schriftsteller, Weltenbummler und Frauenheld, schwärmte von Wolfenbüttel: Hier habe er "die schönste Woche seines Lebens" erlebt, schrieb er über die acht Tage, die er 1764 dort verbrachte, um in der Herzöglichen Bibliothek zu lesen.
Gepflegte Altstadt zum Bummeln
Wer die Stadt südlich von Braunschweig heute besucht, kann durch eine gepflegte Altstadt mit vielen prächtigen Fachwerkhäusern bummeln. Dazwischen stehen Prachtbauten aus vergangenen Jahrhunderten, häufig an gepflegten Plätzen wie dem Stadtmarkt oder dem Kornmarkt. So wirkt die Altstadt großzügig und einladend, aber nicht museal. Zahlreiche kleine Geschäfte und Cafés bieten sich bei einem Spaziergang für einen Stopp an.
Eine Stadt nach Plan
Es waren die Welfenherzöge von Braunschweig und Lüneburg, die Wolfenbüttel über mehrere Jahrhunderte zu einem Zentrum der Künste und der Kultur aufbauten. Um 1430 verlegten sie ihre ständige Residenz in eine Burg südlich von Braunschweig. Sie engagierten die besten Baumeister und Stadtplaner ihrer Zeit und ließen nach deren Plänen systematisch die erste Stadt Deutschlands im Renaissance-Stil anlegen. Neben Casanova wirkten und arbeiteten in Wolfenbüttel Gelehrte, Dichter und Komponisten, darunter Gotthold Ephraim Lessing, Michael Praetorius, Gottfried Wilhelm Leibniz und Wilhelm Busch.
Zahlreiche Sehenswürdigkeiten
Schon 1572 gründete Herzog Julius eine Bibliothek, die bis heute unter dem Namen Herzog August Bibliothek einen hervorragenden Ruf genießt. Julius ließ auch ein Theater mit regelmäßigen Aufführungen einrichten. Von den Schätzen der Bibliothek über das prachtvolle Renaissance-Schloss bis zu stattlichen Fachwerkhäusern bietet die Stadt mit gut 50.000 Einwohnern eine Fülle an Sehenswürdigkeiten, die den damaligen Wohlstand belegen. Dazu gehören auch das Zeughaus neben dem Schloss, die Marienkirche und Dutzende Hofbeamtenhäuser.
Herzögliche Pracht im Schlossmuseum Wolfenbüttel
Das Schloss, eine ehemalige Wasserburg, ist nach dem Leineschloss in Hannover der größte erhaltene Schlossbau in Niedersachsen. Erst im 18. Jahrhundert erhielt es sein heutiges Aussehen, zuvor wurde das Gebäude durch An- und Umbauten immer wieder verändert: Der charakteristische Renaissanceturm stammt von 1614, die Arkaden im Innenhof von 1643 und die barocke Fachwerkfassade wurde um 1715 vor die ursprüngliche Steinmauer gesetzt. In der mächtigen Vierflügelanlage residierten die Herzöge aus dem Haus der Welfen 320 Jahre lang. 1754 verlegten sie ihre Residenz nach Braunschweig.
An die glanzvolle Zeit des Schlosses erinnern noch heute die Repräsentationsräume, die auch das Herzstück des Schlossmuseums bilden. Neben den Staatsgemächern mit ihren eindrucksvollen Beispielen fürstlicher Wohn- und Tafelkultur aus dem Zeitalter des Absolutismus bietet das Museum eine Fülle von Objekten des bürgerlichen Lebens der vergangenen 300 Jahre.
Herzog August Bibliothek: Das achte Weltwunder
Die berühmte Bibliothek galt bereits vor 300 Jahren als das achte Weltwunder. Unter dem belesenen Fürst Herzog August (1579-1666) entwickelte sie sich zur größten Büchersammlung Europas. Weltweit beherbergte sie die größte Anzahl Drucke und gehört - auch was die Sammlung mittelalterlicher Handschriften anging - zu den bedeutendsten Bibliotheken in Europa. Das heutige Gebäude entstand zwischen 1883 und 1887 im Stil eines florentinischen Palastes. Inzwischen gilt sie als moderne Forschungsbibliothek von internationalem Rang. Etwa ein Drittel des Bestands von rund einer Million Bänden stammt aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. Wertvollstes Stück und Publikumsmagnet ist das 1983 ersteigerte Evangeliar Heinrichs des Löwen, eine der prächtigsten und kunsthistorisch wertvollsten Handschriften des Mittelalters.
Zu Besuch bei Lessing
1770 holte Herzog Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel den damals schon bekannten Dichter und Dramaturgen Gotthold Ephraim Lessing als Bibliothekar an die herzogliche Bibliothek. Mithilfe einer eigens gegründeten Literaturzeitschrift wollte er die Bibliothek einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. 1777 zog Lessing mit seiner Frau in ein prächtiges Hofbeamtenhaus, das 1733 im Stil eines spätbarocken französischen Parkschlösschens errichtet wurde. Bis zu seinem Tod im Jahr 1781 wohnte und arbeitete er dort. Im Lessinghaus schrieb der Dichter unter anderem das bekannte Drama "Nathan der Weise". Heute können Besucher in den 15 Ausstellungsräumen Leben und Werk des Literaten kennenlernen.
Die Grabkirche der Fürsten
Die Kirche Beatae Mariae Virginis, auch Marienkirche genannt, zählt zu den ersten protestantischen Großkirchenbauten in Norddeutschland. Herzog Heinrich Julius ließ das Gotteshaus von 1608 an als Hauptkirche des Herzogtums und Grabkirche des Fürstenhauses Braunschweig-Wolfenbüttel auf einer ehemaligen Kapelle errichten. Der Entwurf für die dreischiffige Hallenkirche in mittelalterlicher Tradition stammt vom Herzoglichen Baumeister Paul Francke, der den Bau bis zu seinem Tod 1615 leitete. Das Besondere an der Kirche ist die Verschmelzung verschiedener Stilrichtungen wie Gotik, Barock und Renaissance zu einem harmonischen Ganzen.
Klein Venedig: Wolfenbüttel wie im Mittelalter
Wer durch Wolfenbüttel bummelt, entdeckt neben den prunkvollen Bauten und den hübschen Fachwerkhäusern auch "Klein Venedig". Inmitten der Altstadt am Flüsschen Oker befinden sich die Überreste eines alten Grachtensystems. Damals wurden auf diese Weise die sumpfigen Oberauen der Stadt trockengelegt, sodass eine Besiedlung erst möglich wurde. Die erhaltenen Grachten am Übergang von Stobenstraße und Schiffwall erbauten holländische Städteplaner im 16. Jahrhundert.