Habeck ruft Alarmstufe aus: "Wir sind in einer Gas-Krise"
Russland verringert seine Gaslieferungen nach Deutschland immer weiter. Deshalb hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. "Wir sind in einer Gas-Krise", sagte er.
"Gas ist von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen", erklärte der Grünen-Politiker. Oberste Priorität sei es nun, die Gasspeicher zu füllen. Alternative Anbieter würden gesucht und erneuerbare Energien ausgebaut. Außerdem müsse mehr Gas eingespart werden.
Industrie und Wirtschaftsverbände begrüßen den Schritt von Minister Habeck. Vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft heißt es, man müsse alles dafür tun, die Speicher zu füllen. Der Verband der Chemischen Industrie sprach von einer zunehmend ernsten Versorgungslage. Gesellschaft und Industrie stünden vor gewaltigen Herausforderungen, deren Lasten fair verteilt werden müssten.
Dreistufiger Plan wird angewendet
Das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur hatten einen dreistufigen Notfallplan entwickelt und wenden ihn seit dem Russland-Ukraine-Krieg an. Der Plan soll dazu dienen, besser auf eine Gas-Verknappung reagieren zu können. Allerdings beinhalten die unterschiedlichen Stufen auch unterschiedlich starke Auswirkungen, sodass die Entscheidungen gut überlegt sein müssen. Dabei muss sich das Bundeswirtschaftsministerium eng mit Unternehmen und Verbänden sowie weiteren politischen Entscheidungsträgern abstimmen. Der Notfallplan Gas sieht drei Eskalationsstufen vor: die Frühwarnstufe, die Alarmstufe und die Notfallstufe.
Frühwarnstufe: Vorbereitung auf Verschlechterung der Lage
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs wurde die Frühwarnstufe in Deutschland am 30. März ausgerufen. Sie ist nach der europäischen Verordnung auszurufen, wenn es konkrete, ernstzunehmende und zuverlässige Hinweise darauf gibt, dass ein Ereignis eintreten kann, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungs-Lage führt. Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen Krisenstab gebildet, der Vertreter von Behörden und Energieversorgern umfasst. Versorger und Betreiber der Gasleitungen müssen nun regelmäßig die Lage für die Bundesregierung einschätzen. Der Staat greift aber noch nicht ein. Die Marktteilnehmer sollen dafür sorgen, die Gasversorgung zu sichern
Alarmstufe bei gravierender Gas-Reduzierung
Auch die jetzt geltende Alarmstufe bringt noch keine staatlichen Eingriffe in den Gasmarkt. Sie tritt in Kraft, wenn eine Gasversorgung ausbleibt, gravierend reduziert wird oder gar nicht mehr vorhanden ist. Sie wirkt auch, wenn eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vorliegt, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungs-Lage führt. Lang anhaltende sehr niedrige Speicher-Füllstände und hohe Gefahr langfristiger Unterversorgung sind weitere Indikatoren. Der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder diese Nachfrage zu bewältigen.
Anders als die Frühwarnstufe könnte die Alarmstufe für Unternehmen und Verbraucher erhebliche Konsequenzen mit sich bringen, wenn Versorger ihre höheren Einkaufspreise direkt an ihre Kunden weiterreichen könnten. Dafür war im Energiesicherungsgesetz im Mai eine neue "Preisanpassungsklausel" geschaffen worden. Das ist aber kein Automatismus. Sie muss zuvor förmlich von der Bundesnetzagentur aktiviert werden - derzeit ist dies aber noch nicht passiert.
Die Ausrufung der Alarmstufe ist aber auch eine Voraussetzung für die Umsetzung der Pläne der Bundesregierung, dass vermehrt Kohle-Kraftwerke wieder ans Netz geholt werden sollen, um Erdgas bei der Stromproduktion einzusparen. Das entsprechende Gesetz soll am 8. Juli den Bundesrat passieren.
Notfallstufe bei Mangel-Lage: Staat greift ein
Die Notfallstufe greift erst in einer Gasmangel-Lage: Sie herrscht, wenn massive langfristige Lieferausfälle zu erwarten sind, ohne dass eine ausreichende Alternativ-Versorgung möglich ist. Der Markt wäre dann nicht mehr in der Lage, einen Ausgleich zwischen Nachfrage und geringerem Angebot zu schaffen. Die Bundesnetzagentur würde dann zuteilen, wer noch Gas bekommt. Private Haushalte sind besonders geschützt und sollen möglichst lange versorgt werden. Auch andere geschützte Bereiche - etwa Krankenhäuser oder Sicherheitskräfte - sind von dieser Bewirtschaftung ausgenommen. Die Industrie müsste sich dann auf Kürzungen einstellen.
Bundeswirtschaftsministerium ruft einzelne Warnstufen aus
Wann die einzelnen Krisenstufen ausgerufen werden, ist abhängig davon, wie schwer die "Störung, die erwarteten ökonomischen und technischen Auswirkungen und die Dringlichkeit der Störungsbeseitigung auf nationaler Ebene" sind. Die Stufen müssen nicht nacheinander ausgerufen werden. Es kann auch sofort die Alarm- oder die Notfallstufe festgestellt werden.
Die Zuständigkeit liegt beim Bundeswirtschaftsministerium. Während das Ministerium die Frühwarn - und die Alarmstufe direkt ausrufen kann, benötigt es für die Notfallstufe die Zustimmung des Kabinetts. Auch wenn Bundeswirtschaftsminister Habeck formell zumindest für die ersten beiden Stufen entscheiden darf, wird in Berlin betont, dass sich der Grünen-Politiker abstimme - unter anderem mit Kanzler Olaf Scholz (SPD).